LITOP KG
Litops in der Presse

Esslinger Zeitung, 4./5./6.01.92
von Barbara Scherer
"Yeti" und "Achilles" sind stolze Mitglieder der Köngener Steindynastie
Der "Verein gegen unterdrückte Lebensfreude" produziert seit einigen Jahren die drei Tonnen schweren Jungs - Landschaftsgärtner gehören zum harten Kern der Gruppe
Köngen - "Achilles" hat einen Kollegen bekommen. Der Steinmann, der so locker-lässig die Straße zwischen Denkendorf und Köngen im Blick hat, ist nicht mehr alleine. Der "Verein gegen unterdrückte Lebensfreude" hat mal wieder zugeschlagen: Steinerne Männer halten fast alle strategisch wichtigen Punkte in Köngen besetzt. "Siggi from the bushes", "Achilles", "Yeti" und "Joseph Litop Rein", das sind die Kinder des "Vereins gegen unterdrückte Lebensfreude". Der Club mit dem vielversprechenden Namen besteht aus 15 bis 20 jungen Leuten, die ihre Freizeit nach dem Motto. "Selber was machen statt rumhängen" gestalten.

Landschaftsgärtner und Steinmetze gehören mit zum harten Kern der Gruppe, die vor einigen Jahren aus Lust und Laune angefangen hat, diese ungewöhnlichen Skulpturen aufzubauen. Eigentlich wisse er es gar nicht mehr so genau, wie man auf die Idee gekommen ist, so etwas zu machen, meint Jochen Maier, Mitglied des Vereins.

Wächter der Straße
"Siggi from the bushes" ist der Erstgeborene der Köngener Stein-Dynastie und der "wohnt" im Garten von Jochen Maier in der Denkendorfer Straße. "Der ist noch ziemlich grob behauen. Am "Siggi" sieht man, daß wir halt noch üben mußten." Da ist "Achilles" schon von anderem Kaliber. Locker und gelassen lehnt er in seinem Korbsessel, ein Bein lässig über das andere geschlagen. Offenbar erhält der Wächter an der Straße auch regelmäßig Besuch, denn bereits zum fünften Male haben Fans die Brille des "Achilles" mitgehen lassen.
Ein rechtes Kunstwerk steht auf dem Gelände der Schreinerei Rein: "Joseph Litop Rein" ist ein Zimmermann. Zünftig steht er da, einen schweren Hohlbalken trägt er fachgerecht auf der steinernen Schulter. Schreiner Rein, ein Bekannter von Jochen Maier, hatte beim "Verein gegen unterdrückte Lebensfreude" angefragt, ob er nicht auch so einen Kerl bekommen könnte. "Und jetzt gehört der "Joseph" schon sozusagen zur Familie", sagt Jochen Maier.
Eine Skulptur, mit der die "Lebensfrohen" bei der Köngener "Hobby-Künstler-Ausstellung" an die Öffentlichkeit gingen, ist der "Yeti", der seinen vorläufigen Platz vor dem Eingang zur Burgschule gefunden hat. Eher erheiternd findet die Gruppe die Fragen nach dem künstlerischen Anspruch der Steinmänner. "Die entstehen nicht genau nach Plan. Das passiert spontan während der Arbeit." Mit susschlaggebend ist auch immer das gerade vorhandene Material, das bei der Tätigkeit beim Steinmetz oder im heimischen Gartenbaubetrieb anfällt, erklärt Jochen Maier.

Drei Tonnen schwere Jungs
Ein ganz schönes Gewicht bringen die ungeschlachten Gesellen auf die Waage. Nur ein Stapler wird noch mit den bis zu drei Tonnen schweren Jungs fertig. Konkrete Pläne hat die Gruppe zwar noch nicht, aber Köngen kann mit weiteren Kolossen rechnen, verspricht Jochen Maier. Vielleicht bekommen die Steinmänner dann endlich die längst überfällige Steinfrau...

 

Garten Praxis - Ulmers Pflanzenmagazin 7/96
von Karlheinz Rücker
Steine klopfen als Gaudi
Was haben Landschaftsgärtner, Steinmetze und Bildhauer gemeinsam? Sie müssen mit Hammer, Meißel und manchmal auch mit schwerem Gerät hartem Naturstein zu Leibe rücken. Steine klopfen muß jedoch keine harte Arbeit sein, sondern kann zu einer kreativen, lustigen Freizeitbeschäftigung werden.

Köngen, eine 8700-Seelen-Gemeinde zwischen Esslingen und Wendlingen gelegen, sorgt in der Regel nicht für bundesweite Schlagzeilen und ist nur wegen seines Römerkastells überregional bekannt. Wer sich dennoch hierher verirrt und einen ausgiebigen Spaziergang durch den Ort unternimmt, könnte den Eindruck gewinnen, in eine Zeit zurückversetzt zu sein, in der eine heidnische Bevölkerung der religiösen Verehrung von Steinen huldigt. Nicht daß es Köngen an den Einrichtungen fehlte, die man von einer Gemeinde dieser Größe erwarten darf. Vielmehr entdeckt der aufmerksame Wanderer an mehreren Stellen steinerne Figuren, die an einen Steinkult denken ließen, präsentieren sie sich nicht als originelle, lustig-kuriose Wesen.
Vor dem Ortseingang, auf einem Acker direkt neben dem parallel zur Landstraße verlaufenden Feldweg, ruht genüßlich in einem offensichtlich bequemen Sessel aus Armierungseisen ein tonnenschwerer "Achilles". Die Beine hat er übereinandergeschlagen, dem Fuß mit seiner empfindlichen Ferse Erleichterung verschaffend. Ein Sonnenschirmskelett, ebenfalls aus Armierungseisen zusammengeschweißt, verschafft ihm zwar keine Kühlung, unterstreicht aber die relaxte Atmosphäre.
"Achilles" ist das Werk einer Gruppe von Hobbykünstlern, die sich seit 1989 im Raum Köngen-Wendlingen zusammengefunden haben. Aus den fünf Gründungsmitgliedern ist inzwischen eine Gruppe von rund 15 Leuten geworden, die sich den Namen Litop KG gab. Litop mag sich vom Griechischen lithos = Stein ableiten. KG, so erzählen die Hobbykünstler schmunzelnd, steht sowohl für Kunst- als auch Klopfgruppe.
In unregelmäßigen Abständen und in wechselnder Zusammensetzung treffen sie sich an Wochenenden zu ihrer schweißtreibenden Freizeitbeschäftigung. Dabei erweist sich als vorteilhaft, daß die verschiedensten Professionen vertreten sind. Zum harten Kern gehören die Garten- und Landschaftsbau-Meister Jochen Maier und Klaus Schmid, der Landschaftsarchitekt Peter Essinger, Zimmermann Reinhardt Lamparter, Gärtner und Pädagogik-Student Reinhold Brombach, Steinbildhauer Hannes Becker, Heizungsbauer Stefan Traub, Heilerziehungspfleger Thomas Stöckelmeyer und Vermessungstechniker Alfred Lasar.
Die Initiative ging vorwiegend von Landschaftsgärtner Maier und Landschaftsarchitekt Essinger aus, der damals im Wendlinger Garten- und Landschaftsbaubetrieb praktizierte. Man wollte in der freien Zeit nicht "einfach rumhängen", sondern etwas Sinnvolles , Kreatives tun, das auch noch Spaß macht. Deutlich werden die Absichten auch in dem Namen, den die Gruppe sich vor Jahren einmal gab: Verein gegen unterdrückte Lebensfreude.
Etwas mit dem Material aus Stein zu machen, lag für einen Landschaftgärtner nicht fern. Außerdem ließen sie sich inspirieren von den aus Kieselsteinen zusammengeklebten, bemalten Steinmännchen, die inzwischen auf jedem Kunstgewerbemarkt und in jedem Souvenir-Laden zu finden sind. Glücklicherweise erlagen die lebensfrohen jungen Männer, zu denen sich auch immer wieder junge Damen gesellen, nicht der Gefahr, ähnlich kitschige Objekte zu produzieren. Ihre Figuren entstehen aus spontanen Ideen, entwickeln sich beim oft mühsamen Herstellungsprozeß.
Sieben Figuren sind bisher aus dieser Arbeit hervorgegangen. Der eingangs genannte "Achilles" erhielt seinen Namen nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten, den die Künstler mit seinem überschlagenen Bein hatten. Das Material - Natursteine aus der Region, Beton und Stahl -ist nicht leicht zu bearbeiten. Es fehlte noch an Erfahrungen mit der Konstruktion der bis 3 t schweren Figuren. Jetzt haben sie die statischen Erfordernisse besser im Griff.
"Achilles", 1991 entstanden, war das zweite Werk. "Siggi from the Bushes" nannten sie ihr Erstlingswerk: eine noch etwas grob behauene Figur, die im Vorgarten eines Hauses steht und dort aus den Sträuchern herauszutreten scheint. Als Haartracht sollte Festuca Siggis Haupt zieren, doch das Gras hatte in der kleinen Steinfuge keine große Lebenserwartung. So mußte man regelmäßig neue Locken implantieren und experimentiert mit anderen Pflanzen.
Der "Yeti", einst in der Köngener Burgschule plaziert, sorgte für Schlagzeilen, als man ihn nach ausgiebigen Diskussionen des Schulhofs verwies. Das hatte aber nichts mit seiner künstlerischen Qualität, sondern nur mit den spitzen Zacken der stählernen Flügel zu tun, die Verletzungen der herumtobenden Kinder befürchten ließen.
Inzwischen hat der "Yeti" einen neuen Platz und die Schule ein neues Objekt gefunden. Die Schildkröte "Tina Turtle" mit ihrem Schaufelblatt als Zunge wirft keine versicherungsrechtlichen Fragen auf. Lediglich die blühende Haartracht fällt gelegentlich kindlicher Neugier zum Opfer.
Die Wiederverwendung alter Gegenstände aus dem Arbeitsalltag der Künstler läßt eine weitere Steinfigur erkennen: die "Reitschnecke Bob". Die Augen dieser lustigen Figur verrichteten in besseren (?) Zeiten als Schubkarrenräder ihren Dienst. Auf den Fühlern aus schweren Stahlfedernstecken Gießkannenbrausen.
Nicht ohne Stolz berichtet die Litop KG von Auftragsarbeiten. Für den Vorgarten einer Schreinerei schuf sie den balkentragenden steinernen "Joseph Litop Rein". Auch der Platz für das derzeit entstehende Ungetüm mit seinen stählernen Flügeln, die als Rückenlehnen dienen sollen, steht schon fest.
Alle Objekte entstehen auf einer Betonplatte, damit der spätere Transport unproblematisch ist. Nur das Gewicht ist ein begrenzender Faktor; einen Schwerlastkran zu bemühen, überschreitet die finanziellen Möglichkeiten. Dennoch sind die Objekte lebensgroß oder größer.
Trotz dieser Dimensionen erinnern die Figuren der Litop KG an Gartenzwerge - nicht an die verpönten Kitschfiguren der Gartenbedarfsindustrie, sondern an deren Ursprünge, die berühmten Gobbi, die nach dem Erscheinen der Stiche Jacques Callots im 17. Jahrhundert und später die fürstlichen Gärten bevölkerten. Sie offenbaren die Lust am Grotesken, an der Überzeichnung, sie haben ihren idealen Platz im kulturgeprägten Freiraum des Gartens, und sie entstanden sicher mit der gleichen Freude am schöpferischen Gestalten.

 

Stuttgarter Zeitung, 25.06.98
Gegen unterdrückte Lebensfreude
Ein nicht ganz waschechter Verein will die alltägliche Tristesse bekämpfen Köngen - Der Name des Vereins gegen unterdrückte Lebensfreude um den Köngener Landschaftsgärtner Jochen Maier ist Programm. Gelobt sei, was Spaß macht und niemand schadet, lautet das Motto einer lokalen Gemeinschaft Gleichgesinnter, die sich vor mehr als zehn Jahren zusammengefunden haben.
Mehr als sieben Mitglieder und trotzdem nicht eingetragen, schließlich könnte der vereinsmeiernde Verwaltungskram die Lebensfreude trüben. Anstatt diese in duftöligen Entspannungsbädern, schwammigen Psychotherapien oder knallharten Survivaltrainings zu suchen, schwören die mittlerweile schon etwas in die Jahre gekommenen Jugendlichen auf unterhaltsame Kost der etwas anderen Art, die der "Terminator"-Kalender für das Jahr 1998 auflistet: "Plätzleswetz" im März, "Marathonbreakfasting und viele andere trendige Abenteuermordarten" standen im April auf dem Programm. Ende Mai wurde die "Schwachfahrerausfahrt nach Lambrusco im wildromantischen Farfalletal zur Grappablüte" veranstaltet.
Einer der Höhepunkte des Jahres: der "Französische Murmelnachmittag" am 28. Juni. Stilecht unter den Platanen des Wendlinger Rathauses boulen die Boulespieler um die rollende Kugel, von lauwarmem Rotwein konzentrationssteigernd unterstützt.. Ein weiterer Fixpunkt im Kalendarium der Lebensfreude: "Mittwoch ist Steintag". Da sprengen die kreativen Kräfte alle Fesseln und es entstehen unter den Händen der Vereinsmitglieder gewichtige Figuren, ordentliche Brocken, die schwer an ihren Steingliedern tragen. Sie bestehen aus schwäbischem Kalk von der Alb oder aus rotgeädertem Marmor, nach dem sich zur Zeit alle die Finger lecken. "Sieht aus wie ein offener Bauch", bemerkt Jochen Maier mit Kennerblick. Der Stein sei ein Schnäppchen aus Konkursmasse gewesen.
Seit Jahren schon grüßt der sitzende "Achilles", der seinen Namen der abgeschlagenen Ferse verdankt, Autofahrer zwischen Köngen und Denkendorf. Selbst die Plochinger wollen plötzlich einen anständigen Brocken Lebensfreude. Die verbreitet jetzt ein versteinerter Gärtner in der Unterführung zwischen Fußgängerzone und Landesgartenschau. Das neueste Projekt: ein Tausendfüßler. "Na ja, vielleicht kriegt er auch nur 150 Füße", da ist man sich noch nicht so einig. Unverkennbar, hier sind pragmatische Persönlichkeiten am Werk, die sich die Freude am Hier und Jetzt nicht vermiesen lassen. Wer Steineklopfen nicht so mag und sich bei der Steigerung der Lebensfreude keinen Bruch holen will, dem empfielt der Verein: "Nie lügen und immer Zähne putzen."

 

Die Brücke, 2/99
von Gabi Erne
Von der Leichtigkeit des Steins
Wer wie unser früherer Dekan Schiffbuch gerne von "oben" nach Köngen kommt, wird von Achilles begrüßt. Am Ortseingang ruht sich der tapfere Krieger in einem offensichtlich bequemen Sessel aus Armierstahl unter einem schattenspendenden Sonnenschirm aus und macht nicht den Eindruck, als wolle er sich noch einmal zum Kampf erheben. Nicht einmal die etwas weiter unten wartende Reitschnecke wird ihn dazu verführen können.
Ich war neugierig die Leute kennenzulernen, die tonnenschwere Steine zu solch kurios-witzigen und lebendig wirkenden Figuren zusammenbauen, mit schweißtreibender Muskelarbeit etwas von der "Leichtigkeit des S(t)eins" in Szene setzen. Wenn ich diese und die vielen anderen in Köngen stehenden Figuren ansehe, kommen mir sowohl Assoziationen von steinzeitlichen Menhiren, als auch von schnell und gekonnt gezeichneten Karrikaturen. Durch dieses Spannungsfeld werden sie nie langweilig, immer ist noch ein schönes Detail zu entdecken, der Phantasie kann freien Lauf gelassen werden.
Diese Figuren sind Kunstwerke, und sie sind zugleich Ausdruck der Lebenskunst einer Köngener Gruppe von Leuten, die sich vor etlichen Jahren in einer Jungschargruppe fanden. Ich unterhielt mich mit Jochen Maier und Axel Traub.

Wie ensteht eine Steinfigur?
Im Prinzip fängt man mit ein paar Ideen an, schleppt die Sachen zusammen, probiert aus. Die Steine werden wenig bearbeitet, man montiert sie, schaut sie an, wie sie zusammenpassen. Das Natursteinlager mit Material aus dem Steinbruch haben wir ja da. Und dann wird halt gebastelt - Mittwochabends vom Frühjahr bis zum Herbst. Manchmal hat man schon ein Vorhaben, dann sucht man gezielt nach bestimmten Steinen. Aber normalerweise ist es umgekehrt. Die Motive fallen uns ein, wenn wir die Steine sehen. Deshalb bauen wir meistens ohne Plan los. Es kommt vor, dass manche Sachen lange rumstehen bis was draus wird, oder sie verändern sich. Es kann schon mal aus einem Seepferdchen ein Vogel werden.
Unsere Materialien sind Stein, rostendes Armierungseisen, Schrott, Sperrmüllzeug wie alte Schubkarrenräder, Besen, Gullideckel usw. Die Verbindungen werden mit Steckeisen und Speis gemacht.

Wer arbeitet mit?
Seit 10 Jahren klopfen wir Steine. Mittwochabends und manchmal an den Wochenenden sind wir regelmäßig zu siebt, Männer und Frauen. Es können aber auch 15 sein. Werkzeug ist immer genug da. Wer Lust hat, macht mit.

Wie hat sich diese Gruppe gebildet?
Alle Leute kommen hier aus der Gegend. Ursprünglich waren wir die Bubenjungschar "Schnullenuckler". Als "Schnullis" haben wir damals das Jugendwerk verlassen und später den "Verein gegen unterdrückte Lebensfreude" gegründet. Wir nennen uns zwar Verein, haben aber keine Satzung. Es gibt also auch niemanden, der sich durch eine Satzung ausgeschlossen fühlen könnte. Eigentlich ist es nicht anders als früher bei der Dorfjugend. Man kennt sich und macht was zusammen. Früher gab's keine Alternativen, wie z..B. Medien, Urlaub, Mobilität. Heute entscheiden wir uns bewußt zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung und entsprechend breit ist unser Angebot. Offiziell gehören wir zum Jugendhaus, aber eigentlich könnte man sagen, dass wir eine selbstlaufende Gruppe sind.

Wie erklärt ihr euch, dass eure Freude am Gestalten eures Jahresprogrammes ungebrochen ist, und die Teilnehmerzahlen sogar steigen?
Wir klopfen nicht nur Steine. Unsere verschiedenen Interessen sind völlig offen. Wer Lust hat zu kicken, macht bei den Kickern mit, braucht sich aber nicht verpflichtet fühlen, regelmäßig zu kommen oder eine Gegenleistung zu bringen. Jede Teilnahme ist ganz unverbindlich.. Wer da ist, ist da, und der hat dann auch wirklich Lust, was zu machen. Alle neuen Leute sind willkommen und können gleich mitgestalten. Daraus entwickelt sich wohl die Dynamik, von der der Verein lebt. Unsere Veranstaltungen werden nicht so sehr von festen Ritualen geprägt, sondern ganz wesentlich von den Ideen der neuen Leute. Natürlich auch der "alten" Neuen. Manche waren ein paar Monate oder Jahre weg und kommen dann wieder. Einige haben jetzt Kinder. Da entwickeln sich wieder neue Ideen und Pläne. Wichtig ist uns, dass kein Erwartungsdruck an irgendwelche Veranstalter entsteht. Eine Sache gelingt durch die aktiven Teilnehmer, und so entsteht auch unser Jahresprogramm. Man muß natürlich dazusagen, dass wir normalerweise auch nur die angenehmen Seiten des Lebens abdecken.

Letzte Frage zum "Brücke"-Thema: Was ist notwendig und wesentlich, um erwachsen zu werden?
Um erwachsen zu werden braucht man eine Gemeinschaft. Einen Freundeskreis, um soziale Kompetenz einzuüben. Einige Grenzen und Werte einer Gesellschaft werden am besten in der kreativen Gruppe erfahren.

Ich danke euch für dieses Gespräch.Gabi Erne

 

Esslinger Zeitung, 16.07.99
von Regina Schultze
Gaudi-Truppe auf Kurs in die Steinzeit
Köngen: "Verein gegen unterdrückte Lebensfreude" klopft, schweißt und bohrt vorwitzige Stein-Figuren Mißmutig im Alltag? Irgendwie schlecht drauf? Was der Apotheker empfielt, wissen wir nicht - wir empfehlen den "Verein gegen unterdrückte Lebensfreude". Der dürfte fast bundesweit einmalig sein. Sitz der Gaudi-Truppe ist in Köngen. Der Ort ist zwar weithin für seine römische Geschichte bekannt, die etwa 50 Spezialisten für die lebensbejahende Daseinsbewältigung katapultieren den Ort aber noch weiter zurück in die Vergangenheit, nämlich in die Steinzeit.

Seit mehr als zehn Jahren tauchen immer wieder Steinmännchen auf - so jüngst ein vorwitziger Stein-Römer im Köngener Kreisel, bevor er von der Jupiter-Säule verdrängt wurde. Wobei "Männchen" als glatte Untertreibung gewertet werden darf, würden die meisten der geklebten und betonierten Figuren doch eine Personenwaage ins Rotieren bringen: "Die sind bis zu vier Tonnen schwer", sagt Vereinsgründer Jochen Maier, ein eher ruhig wirkender Mann mit Hut. Geburtsort der Steinmenschen und -tiere ist das Wendlinger Gewerbegebiet Wertwiesen.
Schon lange bevor Besucher in den Hinterhof biegen, ist ein lautes Hämmern zu hören. Eine Handvoll bunt gekleideter Menschen klopft an dem schönen Sommerabend Steine, bedient Schweißbrenner oder Winkelschleifer, daß die Funken nur so fliegen, während einige Meter weiter der Verkehr auf der A8 vorbeirauscht. Hier ist der Lagerplatz des Landschaftsbaubetriebes Maier, den Siegfried und Sohnemann Jochen gemeinsam führen. Schon früher hatte der Vater nichts dagegen, daß die Freunde des Filius Platz, Halle und Geräte benutzen. "Kaputtgegangen ist noch nie was", lobt Jochen Maier. Ein "Menschenopfer" gab es dagegen vor zwei Jahren zu beklagen: "Stockl", der 28-jährige Thomas Stöcklmayer, brach sich beim Werkeln einen Mittelhandknochen. "Nach 20 Minuten Bohren blieb der Bohrhammer stecken - und dann drehte sich die Maschine." Der Arm drehte sich nur sehr begrenzt mit. Aufgegeben hat der Sozialtherapeut trotzdem nicht. Er kommt mittwochs nach wie vor von Schlierbach zum "Hämmer-Tag".
Die 29-jährige Regina Traub schweißt gerade ein Muster in ein Ofenrohr, während ihr Bruder, der Flaschner Stefan Traub, einen Betonsockel gießt. "Seit ich 17 war, bin ich dabei", erzählt der 32-jährige, der inzwischen in Nürtingen lebt. "Früher war es wesentlich chaotischer", erinnert er sich an ausgedehnte Kneipengänge. "Wer sagt denn sowas?", fragt einer von nebendran, der das anders sieht.
Auf dem Hof hängen Jochen Maier und Reinhold Brombach einem stattlichen Gitarristen mit wildem Draht-Haarschopf seinen Stein-Baß um. Ebenfalls schon zu erkennen ist ein 1000-Füßler, dem Friedericke Nordmann, Alfred Lasar und Jutta Miller gerade alte Wanderschuhe an die Beine betonieren und zubinden. "Unser bislang aufwendigstes Stück - wenn man nur mal überlegt, wie lange es gebraucht hat, die ganzen Wanderschuhe abzulaufen." Die fünf Tonnen schwere Kurzversion benötigt 42 Schuhe. Falls jemand das possierliche Tierchen aufstellen möchte, hier ein Angebot: "Wir könnten ihn auch auf 80 Schuhe verlängern..."
Feste Plätze haben dagegen andere kuriose Artgenossen schon gefunden: Seit 1991 aitzt "Achilles" lässig mit übereinandergeschlagenen Beinen und Schirm an Köngens Ortseingang aus Denkendorf und ist schon fast ein Wahrzeichen der Gemeinde. Ganz in der Nähe fristet "Birne Helmut" ein weitgehend unbeachtetes Rentnerdasein, während die "Gartenleuchte Theo" mit buschigen Augenbrauen aus Besen in Nürtingen eine Heimat fand.
Köngens Burgschüler freuen sich an "Tina Turtle", einer Riesenschildkröte mit einem Schaufelblatt als Zunge und bepflanztem Kopf, während die "Reitschnecke Bob" in der Denkendorfer Straße mit ihren Rastalocken und Mützchen durchaus beabsichtigte Ähnlichkeiten mit der Reggea-Legende Bob Marley aufweist.. Eine der wenigen Auftragsarbeiten der "Litop KG", wie sich die Steineklopfer auch nennen (vom griechischen "lithos" = Stein) war der Zimmermann "Joseph Litop Rein". Er steht im Vorgarten einer Köngener Schreinerei.
Keimzelle war vor 15 Jahren übrigens die evangelische Kirche: "Ich war dort Leiter einer Jungschar", erzählt Jochen Maier. Die Gruppe harmonierte offenbar: Von damals sind heute noch etwa acht Leute bei dem lebenslustigen Verein dabei.
Klar, daß der etwas andere Verein weder Aufnahmeformulare, Vorstand oder Jahreshauptversdammlungen kennt. Das jährliche Programm reicht vom "Faschingstätä" über die "Kirschwasserblüte im Neckartal", lädt die Bevölkerung zum Bouleturnier "Le Grand Rougle de Boule Kougle" ein und zum "Rounders - Baseball für Dilettanten", bei dem mit Tennisbällen und dafür ohne Handschuhe gespielt wird. Die eigenen Leute sind zur "pampa-Fete", zum "Rouge-Primeur-Geschlabber", zum Klettern, Bootfahren, Kickern oder "Es wird aber nie zu sportlich", verspricht Jochen Maier, wobei auch für Radler eine spezielle "Schwachfahrerausfahrt" angeboten wird. Jede Menge Quatsch haben die 25- bis 35-jährigen immer noch im Kopf. Derzeit steht zwar keine Tretroller-Fahrt nach Österreich an, wie sie vor einigen Jahren absolviert wurde. Nach vier einstündigen Videofilmen (ein Titel: "Odysseus, der Listenreiche") und etlicheren kleineren wartet eine neue Herausforderung: "Wir versuchen ein neues Genre zu erfinden", verrät Jochen Maier. Eine Foto-Love-Story mit dem Arbeitstitel "Love and Drugs im Neckartal" ist schon geknipst Aber wer, bitte schön, hat schon jemals eine Foto-Geschichte verfilmt?

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